Mit Tränen in den Augen saß ich im Auto.
Im Radio ertönte die Stimme von Maria Mena, die ihren Hit „All this time“ zum besten gab.
Dieses Lied beginnt mit „You self-destructive little girl“ („Du selbstzerstörerisches kleines Mädchen“). Ich war zwar kein Mädchen, und auch ansonsten hat der Text wenig mit mir zu tun, aber bei dem Ausdruck „self-destructive“ bekam ich das Gefühl, dass ich auf dem besten Weg war, mich selbst zu zerstören.
Ich hatte gerade mal wieder eine Panikattacke hinter mir und ich war fix und fertig. Nicht nur wegen dieser einen Attacke, diese ständigen Panikattacken und dauernde Angst über Jahre nagten an mir. Ich konnte nicht mehr, ich war am Boden.
So konnte es nicht weitergehen. Als ich an diesem Tag auf dem Weg zur Arbeit war und dieses Lied im Anschluss an eine Panikattacke hörte, wurde mir klar, dass ich was tun musste.
Ich setzte mich nach Feierabend vor meinen PC, um mich über eine stationäre psychotherapeutische Behandlung zu informieren. Meine ganze noch verbliebene Energie investierte ich in den kommenden Wochen in die Beantragung und Organisation dieser Kur und bereits neun Wochen später war ich dort.
Nur damit wir uns richtig verstehen: Ich war nicht scharf darauf, für einige Wochen mein Zuhause zu verlassen und mich ohne Ablenkung intensiv mit mir und meinem Leben zu befassen, doch ich war in diesem Moment bereit dazu, so ziemlich alles zu tun, damit es mir wieder gut ging.
Leidest Du noch nicht genug?
Ja, ich bin der festen Überzeugung, dass wir leiden müssen. Ansonsten sind wir nicht dazu bereit, das Erforderliche zu tun, um eine Angststörung zu überwinden. Denn die erforderlichen Veränderungen sind anstrengend, oft mit Entbehrungen verbunden und manchmal schmerzvoll.
Und wer tut sich das schon freiwillig an?
Seien wir ehrlich: Der Mensch ist von Natur aus bequem. Mir geht es da nicht anders.
Wir sind erst dann bereit für die erforderlichen Schritte, wenn wir leiden. „Erst wenn wir am Abgrund stehen, entsteht in uns der Wille zur Veränderung“ heißt es so treffend in dem Film „Der Tag, an dem die Erde stillstand“.
Du magst jetzt vielleicht denken: „Ich leide wahnsinnig und bin bereit, wirklich alles Notwendige dafür zu tun, um wieder gesund zu werden.“
Auch ich habe das schon vor dem Tag gedacht, an dem ich mit Tränen in den Augen im Auto saß. Heute weiß ich, dass ich damals nicht genug gelitten habe. Und dann gibt es auch immer wieder mal Phasen, in denen es mir ein wenig besser ging und dann habe ich noch weniger die Notwendigkeit gesehen, etwas für mich zu tun.
Selbst wenn Du im Moment glaubst, dass Du mehr als genug leidest (vielleicht ist das so) – Wir dürfen aber auch nicht unterschätzen, wie leidensfähig wir sein können.
Ohne Leidensdruck, keine Veränderung – ohne Veränderung, keine Besserung
Der Weg aus der Angststörung führt nur über Veränderungen. Manchmal sind so tiefgreifende Veränderungen wie ein ein Arbeitsplatzwechsel oder ein Umzug notwendig. Immer aber geht es darum, Veränderungen in uns und unserem Denken in die Wege zu leiten, wenn man eine Angststörung loswerden will.
Und dafür bedarf es nicht nur der Überwindung des inneren Schweinehunds, sondern Mut und Entschlossenheit, was ungleich schwieriger ist. Dafür müssen wir leiden.
Wir sträuben uns davor, Veränderungen aktiv anzugehen, weil wir bequem sind. Und oftmals haben wir auch Angst davor. Nicht nur vor dem Prozess selbst, der schmerzhaft sein kann, sondern auch vor Resultat der Veränderung. Schließlich wissen wir nicht genau, was diese Veränderung mit sich bringt.
Könnte ja auch alles noch viel schlimmer kommen.
Ja vielleicht, aber es könnte ja auch besser werden, oder? Und auch wenn es tatsächlich schlimmer kommen könnte, wie groß ist denn das Risiko noch, wenn es Dir wirklich schlecht geht?
Und auch hier gilt: Je mehr wir leiden, desto weniger fällt die Angst ins Gewicht, dass es schlimmer werden könnte, wenn es anders wird.
Das solltest Du jetzt tun…
Aber was kannst Du jetzt tun?
Gehe in Dich und werde Dir darüber klar, ob Du Dich gegen Veränderungen wehrst. Wenn das bei Dir der Fall ist, solltest Du herausfinden, woran das liegen könnte.
Meist liegt der Grund eben in der Angst vor dem, was mit der Veränderung einhergeht. Könnte ja alles noch schlimmer kommen.
Ein weiterer Grund, weshalb Du Veränderungen ablehnend gegenüber stehst, könnte Bequemlichkeit sein.Wenn Bequemlichkeit der Grund ist, solltest Du Dir in den Allerwertesten treten und Dir klar machen, dass ein wenig mehr Aktivität zu einem weitaus besseren Leben führen könnte. Ist es nicht wert, etwas dafür zu tun?
Oder steht die Angst vor Veränderung im Vordergrund? Hältst Du nur deshalb an dem Alten fest, weil Du das kennst und etwas Neues, etwas Unbekanntes Dich verunsichert? Eine Veränderung muss vielleicht nicht immer positiv sein. Aber frage Dich: Ist die Chance auf ein besseres Leben ohne Angststörung es nicht wert, das Risiko einzugehen?
Was meint Ihr?
Was ist Eure Meinung dazu? Ich freue mich auf Eure Kommentare, die ich garantiert beantworte.
Ich fühlte mich beim Überwinden meiner Angststörung oft wie auf einer schweren Bergetappe. Es war steinig und steil. Leider gibt es auf diesen Gipfel keine Seilbahn. Aber wenn man mal oben ist, kann man eine herliche Aussicht genießen.
Es gab auch in meinem Leben Veränderungen, die zu meiner Genesung beigetragen haben. Ich arbeite nur mehr Teilzeit und nicht wie früher teilweise auch am Wochenende, mache Sport, was für einen coachpotato wie mich eine große Überwindung war, habe gelernt Nein zu sagen, achte zumindest ein bisschen auf meine Ernährung. Früher war ich der Meinung das nur das sture Einnehmen von Tabletten und ständiges Ausruhen meine Symptome verschwinden lassen würden. Aber dem war nicht so. Ich arbeitete im Rahmen einer mehrjährigen Therapie knallhart an mir. Und das war oft kein Honiglecken. Tägliches Üben, Rückschläge, Tränen. Aber irgendwann verschwand die Angst so schleichend wie sie gekommen ist. Heute ist sie nur noch ein Wachposten, der sich dann meldet, wenn ich wieder mal meine Grenzen überschritten habe. Meiner Meinung nach müssen es nicht immer riesen Veränderungen im Leben sein, die zur Genesung beitragen, es müssen die individuell richtigen sein. Jeder Mensch ist anders. Das Schwierige ist, herauszufinden welche Veränderungen am Besten für einen sind . Es können auch ganz kleine sein, die entscheident sein können.
Wenn ich große Entscheidungen zu treffen habe, halte ich 2 Zettel gegen meinen Bauch und fühle was dieser sagt. Das Bauchgefühl sollte man nicht unterschätzen 😉
Lieber Hannes,
vielen Dank für Deinen Kommentar. Du sprichst mir aus der Seele und es ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Du hast mit allem recht. Es freut mich, dass Du Deinen Weg gefunden hast und danke, dass Du anderen Betroffenen mit diesem Kommentar Mut machst.
Lieben Gruß.
Sebastian
Ok top 🙂 dann is alles geklärt ja mich stört es nur das es even so lange dauert der heilungsprozess seit 5-6 jahren jetzt ! Manchmal fehlt die geduld dann
Das kann ich total gut verstehen. Ich drücke Dir die Daumen und Kopf hoch: Das wird schon!
Soll das heißen das sich jeder mit panikattacken einweisen soll ! Wie ich aus meinem fall rede habe ich es nur mit psychotherapie gemacht und noch etwas was mir sehr geholfen hat trotzdem sind die pa noch nicht ganz weg und das ist vl auch gut so ich sehe vl das man panikkattacken einfach akzeptieren sollte und sie nicht dauerhaft immer nur weghaben will ! Die haben schon ihren sinn und eben sollte man sein öeben verändern wenn man zu sehr leidet ! Aber das geht ja e nicht anders wenn man pa hat denn sonst leidet man sein ganzes leben !
Hallo Chriss,
nein, das soll nicht heißen, dass sich jeder einweisen soll (was ich übrigens auch nicht getan habe, ich war nur in der Reha, nicht im Krankenhaus). Letztlich muss jeder selbst entscheiden, was ihm gut tut. Und ansonsten: Du hast vollkommen recht. Statt dagegen anzukämpfen, macht es Sinn, Panikattacken als Hinweis zu nehmen, dass etwas nicht in Ordnung ist. Super, dass Du auf diese Art und Weise verfährst.
Lieben Gruß.
Sebastian