Gelassenheit: Eine Eigenschaft, eine Tugend? Auf jeden Fall eines meiner wichtigsten Ziele.
In Krisensituationen einen kühlen Kopf bewahren. Nicht gleich aus der Haut fahren, wenn mir jemand dumm kommt. Nicht so viel aufregen, vor allem über die kleinen Dingen.
Gelassenheit. Einfach mal hinnehmen, was ist und was man nicht ändern kann. Gelassenheit. Hört sich so leicht an und ist doch so verdammt schwer.
Einfach ist es sicher nicht, wenn einem diese Eigenschaft nicht in die Wiege gelegt wurde. Doch, das Schöne ist: Gelassenheit kann man lernen.
Lass uns darüber sprechen, wie Du gelassener werden kannst und warum das vor allem für Menschen wichtig ist, die mit übermäßigen Ängsten zu tun haben.
Gründe für mehr Gelassenheit
Schauen wir uns zunächst einmal an, warum wir mehr Gelassenheit lernen sollten. Warum sollten wir uns diesem Thema näher widmen?
- Gelassene Menschen kommen besser mit Krisen zurecht und überwinden diese eher.
- Gelassenheit hilft uns (auch in brenzligen Situationen) bessere Entscheidungen zu treffen.
- Gelassenheit hilft gegen Anspannung und damit gegen Stress, Spannungsschmerzen und Ängste.
- Gelassenheit hilft gegen hohen Blutdruck.
- Gelassenheit sorgt dafür, dass wir uns weniger Sorgen machen, was vor allem dann wichtig ist, wenn man eine generalisierte Angststörung hat.
- Gelassenheit verhindert, dass wir nächtelang grübelnd im Bett liegen.
- Gelassene Menschen können entspannter in die Zukunft blicken.
- Gelassene Menschen legen nicht jedes Wort der Mitmenschen auf die Goldwaage, was verhindert, dass Meinungsverschiedenheiten ausarten.
- Gelassenheit trägt dazu bei, dass wir sinnvolle Veränderungen aktiv vorantreiben, statt aus Angst Fehler zu machen alles beim Alten zu belassen.
- Gelassener kann man besser kommunizieren, was zu besseren Beziehungen mit unseren Mitmenschen führt.
- Gelassene Menschen bekommen eher, was sie wollen.
- Gelassenheit ist wohl die größte Waffe gegen Stress, Wut und Angst.
Tipps für mehr Gelassenheit
1. Gelassenheit lernen durch Perspektivwechsel
In vielen Fällen werden wir wütend, weil manche Menschen sich so verhalten, wie sie sich eben verhalten. Es fällt uns schwer, weil wir uns anders verhalten würden. So würden wir nie mit anderen umgehen.
Vielleicht fällt dem anderen das aber überhaupt nicht auf oder er hat aufgrund ganz anderer Konstellationen – vielleicht seiner momentanen Situation oder aufgrund seines gesamten bisherigen Lebens nicht anders handeln können.
Versuche einmal die Perspektive des anderen einzunehmen. Könntest Du Dir vorstellen, dass auch Du so gehandelt hättest, wenn Du in seiner Haut stecken würdest. Manchmal hilft das, um Verständnis für den anderen zu entwickeln und gelassener damit umzugehen.
2. Nimm Dich nicht zu wichtig
Dieser Tipp für mehr Gelassenheit betrifft auch Situationen, in denen uns nicht gefällt, wie sich andere verhalten.
Er oder sie macht das nur, um mich zu ärgern? Gedanken wie diese führen zu Wut und Frustration. Wenn wir dem anderen dann noch mit dieser Einstellung gegenüber treten, ist schnell ein handfester Streit da. Und auch wenn wir diese Gefühle für uns behalten, fühlen wir uns alles andere als gut.
Ja, ich kenne das Gefühl, nur von Idioten und Ignoranten umgeben zu sein nur zu gut. Oftmals tun wir den anderen damit aber unrecht (siehe den Tipp zuvor). Wir selbst denken zu 90% der Zeit über uns und unsere Probleme nach. Das müssen wir auch unseren Mitmenschen zugestehen. Wir spielen die Hauptrolle in unserem, nicht in ihrem Leben.
Wir kennen die Intention des anderen nicht und wahrscheinlich war es nicht die Absicht, uns zu verletzen oder zu nerven. Manche Dinge können mithilfe eines kurzen Gesprächs aus der Welt geschafft werden. Auf der anderen Seite können harmlose Geschichten auch zu großen Konflikten hochstilisiert werden.
Darum sollten wir nicht alles auf die Goldwaage legen und uns selbst zu wichtig nehmen. Wir spielen nicht die Hauptrolle im Leben anderer. Andere Menschen haben auch ihre Probleme und waren vielleicht nicht in der Lage, anders zu handeln. Das soll keine Entschuldigung für jedwedes Verhalten sein – diese Einsicht kann jedoch dazu führen, bestimmte Dinge gelassener zu sehen und das zählt.
3. Atme durch
Gelassenheit bedeutet auch, nicht so schnell aus der Haut zu fahren. Wir regen uns wegen größeren Dingen und oft auch wegen Kleinigkeiten unnötig auf. Oftmals lohnt sich das nicht, da wir damit nichts ändern.
Stattdessen sollten wir ein paar Mal tief durchatmen. Lege eine Hand auf Deinen Bauch und atme langsam in Deinen Bauch ein. Dabei spürst Du, wie sich Dein Bauch wölbt. Dann atmest Du noch langsamer wieder aus. Wenn es möglich ist, dann schließe dabei die Augen.
Dabei kannst Du Dir sagen: „Alles ist gut. Ich bin gelassen und entspannt.“
Ich kann Dir nahezu gerantieren, dass Du Dich wieder beruhigt hast, wenn Du nach einer Minute die Augen öffnest.
4. Schlafe eine Nacht drüber
Als ich bei der Bundeswehr war, wollte ich mich bei meinem Kompaniechef beschweren. Ich weiß heute nicht einmal mehr, worum es dabei ging. Ich weiß nur folgendes. Der Hauptmann fragte mich: „Wann ist das passiert?“
Ich antwortete: „Gerade eben.“
Darauf bekam ich folgende Antwort, die mittlerweile so etwas wie eine goldene Regel für mich geworden ist: „Schlafen Sie eine Nacht drüber. Wenn Sie morgen früh immer noch der Meinung sind, sich beschweren zu müssen, habe ich ein offenes Ohr für Sie.“
Ich habe mich nicht beschwert. Manchmal erscheinen Probleme nahezu unlösbar. Das gilt vor allem, wenn man diese abends im Bett hin und her wälzt. Das passiert mir auch heute noch hin und wieder. Was mache ich dann? Ich schreibe sie auf. Ich bringe das Problem zu Papier und erlaube mir, mich am nächsten Tag damit zu befassen.
Und oftmals habe ich am nächsten Tag die Lösung für das Problem. Was aber noch viel öfter geschieht: Das Problem ist am nächsten Tag nicht mehr so wichtig.
5. Vielleicht hat alles einen Sinn
„Was für ein Vollidiot!“
Fluchend saß ich am Steuer meines Autos. Da muss ich schon kilometerweit hinter dieser Schnarchnase herfahren. Als die Ampel grün wurde, pennt der Kerl , fährt dann noch bei gelb über die Ampel und ich muss warten. Was habe ich mich aufgeregt.
Irgendwann musste ich erkennen, wie schädlich ein solches Verhalten für mich selbst ist. Um mein Verhalten zu ändern, war nur ein einziger Gedanke notwendig.
Und dabei hilft mir der Gedanke: „Wer weiß, wofür es gut ist?!“
Vielleicht hätte ich einen Unfall gebaut, wenn diese Schnarchnase mich nicht aufgehalten hätte.
Und damit gelingt es mir sogar, dankbar für diese nervige Warterei zu sein.
Ob das wirklich gut für mich ist, weiß ich nicht. Wer kann das sagen?
Es spielt auch keine Rolle. Wichtig ist einzig und allein, dass es mir damit besser geht.
Ich rege mich nicht mehr auf und treibe meinen Blutdruck damit in ungesunde Höhen. Ich bin entspannter, ruhiger, gelassener. Nur das zählt.
Und auch bezogen auf eine Angststörung: So lebensbeeinträchtigend Angst und Panikattacken auch sein mögen – wer weiß, wozu es gut ist? Vielleicht wartet am Ende das Leben auf Dich, das Du Dir wünschst und dass Du nur deshalb bekommst, weil Dich die Angststörung dazu zwingt etwas zu verändern. Ich habe das viele, viele Mal erlebt.
6. Prüfe Deine Gedanken
Wusstest Du, dass Du 90% von dem, was Du heute denkst, auch gestern schon gedacht hast und vorgestern und den Tag davor…
Leider tragen viele unserer Gedanken dazu bei, dass wir uns nicht gut fühlen – wir werden wütend, sind enttäuscht oder bekommen Angst.
Letztlich sind es fast immer Gedanken, welche diese Gefühle auslösen. Darum sollten wir versuchen zu ergründen, welche Gedanken unseren Gefühlen vorausgingen. Frage Dich, welchen Gedanken Du hattest, bevor Du Dich schlecht gefühlt hast?
Und anschließend: War dieser Gedanke wirklich notwendig? Welcher Gedanke hätte mir stattdessen viel besser getan?
Mit der Zeit kann es Dir auf diese Weise gelingen, die Art Deines Denkens zu verändern. Darum solltest Du Deine Gedanken prüfen.
7. Meditation und Achtsamkeit
Mit einer gewissen „Grundentspannung“ ist mehr nötig, um aus der Haut zu fahren oder Angst zu bekommen. Darum macht es Sinn, einen Weg zu suchen, um entspannter zu werden. Am effektivsten ist dabei eine Entspannungstechnik.
Menschen mit einer Angststörung ohne große Erfahrung in Sachen Entspannungstechniken empfehle ich die progressive Muskelentspannung. Diese ist schnell zu erlernen und verhindert aufgrund der körperlichen Komponente, dass man zusätzlich Angst bekommt.
Ansonsten halte ich die Meditation allen anderen Entspannungstechniken für überlegen. Gerade für Menschen wie mich, denen Gelassenheit und Entspannung nicht in die Wiege gelegt wurde, ist Meditation nicht einfach zu erlernen, doch aus meiner Sicht der beste Weg, um insgesamt gelassener und entspannter zu werden. Das hilft uns ungemein, mehr in uns zu ruhen.
Wenn Ihr noch keine Erfahrung damit habt, so könnt Ihr erste Erfahrungen mit der App „7Mind“ oder wenn Ihr gut Englisch sprecht mit „Headspace“ sammeln. Fünf bis 10 Minuten am Tag reichen schon aus.
Und es ist hilfreich, Euch auch in Eurem Alltag immer wieder auf die Gegenwart zu konzentrieren, indem Ihr alles ganz bewusst macht. Das führt mit der Zeit zu mehr Entspannung, mehr Gelassenheit und weniger Stress, Sorgen, Wut und Ängsten.
Gelassenheitsgebet
„Herr, gib mir die Kraft/den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“
Dieses „Gelassenheitsgebet“ stammt vermutlich von Reinhold Niebuhr.
In diesem Gelassenheitsgebet steckt so viel Wahrheit wie in kaum einer anderen Weisheit. Schauen wir uns das kurz an einem Beispiel an:
Nehmen wir einmal an, dass Dein Partner Verhaltensweisen an den Tag legt, die Dich stören. Du kannst ihn bitten, etwas zu verändern. Wenn er oder sie das nicht tut, kannst Du wenig machen. Du brauchst erst einmal Gelassenheit, um zu akzeptieren, dass Du das nicht ändern kannst.
Ist das Verhalten für Dich untragbar, so kannst Du für Dich selbst etwas verändern und die Beziehung beenden. Noch einmal neu anzufangen, erfordert Mut. Wenn es Dir allerdings dadurch so schlecht geht, Du aus diesem Grund psychisch krank wirst, ist es doch wert, etwas zu riskieren und etwas zu verändern, oder?
In diesem Beispiel brauchen wir erst einmal Akzeptanz dafür, dass wir etwas Unerwünschtes nicht ändern können und finden einen Weg, wie wir dann doch aktiv werden können.
Dabei gibt es Dinge, die außerhalb unseres Einflussbereichs liegen und an denen wir absolut nichts ändern können. So ist der Tod als Schlusspunkt eines jeden Lebens auch für mich ein unschöner Fakt. Mir gefällt das ganz und gar nicht. Was bleibt uns übrig? Wir können zeitlebens damit hadern (womit wir uns das Leben unnötig schwer machen) oder diese Tatsache akzeptieren. Dazu brauchen wir Gelassenheit.
Und um Gelassenheit zu lernen helfen Dir die Tipps, die wir hier besprochen haben. Ich wünsche Dir dabei viel Erfolg und ich verspreche Dir: Es lohnt sich.
Wunderschönes gedicht.