Bist Du auch so sensibel?
Wenn man an einer einer Angststörung leidet, ist die extreme Sensibilität der Betroffenen ein großes Problem. Zwei Zutaten sind notwendig, um den Zusammenhang zwischen Hochsensibilität und Angststörung herzustellen. Ich verrate Dir, welche das sind.
Was Du gegen diese Hochsensibilität tun kannst und warum Dir dieses Wissen auf Deinem Weg aus der Angststörung hilft – das erfährst Du in diesem Artikel.
Was heißt Sensibilität eigentlich?
Sensibilität bedeutet im allgemeinen Sprachgebrauch soviel wie Feinfühligkeit/Empfindlichkeit, in der Neurophysiologie meint es das Fühlen an sich. In diesem Artikel benutzen wir den Begriff im Sinne von Feinfühligkeit/Empfindlichkeit.
Sensibilität – positiv oder negativ?
Ist es jetzt positiv, wenn man sensibel ist oder eher hinderlich?
Es kann sicherlich allerhand Vorteile mit sich bringen, feine Antennen zu haben. So sind sensible Menschen in der Lage, sich in andere einzufühlen, sind offener für bestimmte Schwingungen innerhalb einer Kommunikation und nehmen einfach mehr wahr. Darum sind feinfühlige Menschen geschätzte Gesprächspartner.
Auf der anderen Seite kann einem eine übermäßige Sensibilität auch zu schaffen machen. Man spricht hier auch von Hypersensibilität, Überempfindlichkeit oder Hochsensibilität.
Ausgeprägte Sensibilität kann in bestimmten Situationen als Stärke betrachtet werden, in anderen Fällen ist diese Hochsensibilität durchaus problematisch. Bei einer Angststörung spielt diese Überempfindlichkeit eine besondere Rolle.
Ist etwas „anders“, bekommt man Angst
Auch, wenn ich es vielleicht nicht wahrhaben wollte – ich war immer schon sehr sensibel. Als Mann habe ich das viele Jahre lang nicht wahrhaben wollen. Schließlich ist diese Eigenschaft in unserer Gesellschaft erst einmal nicht besonders hoch angesehen. Wer will schon eine Mimose oder ein Sensibelchen sein?
Während der dreijährigen Phase meiner Angststörung (ich hatte einen Mix aus Panikstörung, Hypochondrie und generalisierter Angststörung) war ich ganz besonders sensibel.
Ich nahm jede Veränderung sofort wahr. Dabei spielte es keine Rolle, ob es äußere Reize waren oder innerliche (körperliche) Veränderungen – sobald etwas irgendwie anders war, erschreckte ich mich, bekam erst einmal Angst, verspannte und verkrampfte mich.
Viele Menschen mit einer Angststörung berichten von extremer Gereiztheit. Menschen, die sich im Zug lautstark unterhalten, nerven plötzlich enorm. Dabei sind es vor allem plötzlich auftretende Veränderungen, die als störend und beängstigend empfunden werden.
Oft sind dabei verschiedene Sinneswahrnehmungen betroffen: Veränderung der Lautstärke (hören), schnelle Gegenstände im Sichtfeld wie z.B. das Vorbeifliegen der Landschaft oder anderer Autos beim Autofahren(sehen), plötzlich auftretende Gerüche (riechen). Schmecken und Tasten können ebenfalls betroffen sein.
Vor allem, wenn man Angst vor Krankheiten hat, ist man auf die eigenen körperlichen Veränderungen fixiert. Man bemerkt jedes Blubbern, jedes Kribbeln, jede Rhythmusänderung des Herzschlags. Menschen, die da weniger sensibel sind, bemerken so etwas oft gar nicht.
Menschen mit einerAngststörung sind extrem aufmerksam
Angst geht immer mit erhöhter Aufmerksamkeit einher (siehe Wikipedia). Wenn man Angst hat, sind die Nerven zum Zerreißen gespannt. Wenn man dann ständig so eine Grundangst hat, so wie ich damals, dann achtet man die ganze Zeit auf irgendwelche Veränderungen.
Die erhöhte Aufmerksamkeit macht Sinn, wenn man sich in einer wirklich gefährlichen Situation befindet.
Da Angstzustände und Panikattacken jedoch nicht in tatsächlich gefährlichen Situationen auftreten, ist das Ganze doch eher hinderlich und nicht mehr als sinnvoll zu bezeichnen.
Hinweis: Ich habe meine sensible Seite lange Zeit verleugnet. Schließlich war das für mich nicht nur unmännlich – ich habe diesen vermeintlich schwachen Teil meiner Persönlichkeit auch verantwortlich für meine Angststörung gemacht. Ich wollte keine „Mimose“ sein. Ich habe lange gebraucht, um zu akzeptieren, dass dieser Teil eben auch zu mir gehört und dass das nichts mit Schwäche zu tun hat. Wenn Du mehr wissen willst – ich habe diesem Thema 2 Kapitel in meinem Buch gewidmet.
Eine weitere Zutat ist entscheidend, damit man Angst bekommt…
Neben der gesteigerten Wahrnehmung plötzlich auftretender Veränderungen ist eine weitere Zutat entscheidend, um Angstzustände und Panikattacken auszulösen: Dass wir diese Veränderungen als gefährlich interpretieren.
Erst die Kombination aus Wahrnehmung und Interpretation stellt den Zusammenhang zwischen Hochsensibilität und Angststörung her.
Ein plötzlich auftretendes lautes Geräusch, ein Geruch oder eine plötzlich auftretende körperliche Veränderung ist ja allein für sich erst einmal kein Grund zur Beunruhigung. Wenn man an einer Angststörung leidet, erschreckt man jedoch oft sofort, verspannt und versteift sich und denkt „Mist, was ist denn das? Etwas Gefährliches?!“ Man reagiert mit Angst.
Was kann man gegen diese Hochsensibilität tun?
Ob man Sensibel ist oder eben nicht – daran ist nichts zu rütteln. Es bleibt uns nur übrig, dies als Tatsache zu akzeptieren. Dabei hilft uns die Erkenntnis, dass Feinfühligkeit oftmals eine wunderbare, sehr geschätzte Eigenschaft ist, die vor allem im Kontakt mit unseren Mitmenschen eine echte Stärke darstellt.
Hochsensibilität keine Krankheit. Die Frage ist also nicht, wie wir diese Sensibilität „wegmachen“ können.
Wir können aber lernen, wie wir so mit der Sensibilität umgehen, dass uns diese auch in anderen (nicht ganz so erwünschten Situationen) nicht mehr so belastet.
Desensibilisierung der Betroffenen
Wenn Du Heuschnupfen hast, kennst Du vielleicht die „Desensibilisierung“ aus diesem Zusammenhang. Bei einer Allergie reagiert das Immunsystem auf eigentlich harmlose Stoffe (in diesem Fall auf Pollen) mit einer Abwehrreaktion. Diese Reaktion verursacht die Beschwerden, nicht die Pollen an sich.
Hier verhält es sich im Grunde ähnlich. Plötzliche Veränderungen sind erst einmal nichts Gefährliches, sie sind halt da, vollkommen wertfrei. Unsere Reaktion darauf ist es, die zu Problemen führt.
Bei Heuschnupfen hat es sich bewährt, den Allergiker regelmäßig mit dem zu konfrontieren, wogegen er überempfindlich ist. Man bekommt die allergieauslösende Substanz in regelmäßigen Abständen verabreicht.
Und das lässt sich teilweise auch auf die Angststörung übertragen. Wenn man sich den Reizen, auf die man mit Angst reagiert, immer wieder gezielt aussetzt, gewöhnt man sich mit der Zeit daran.
Tipp für Draufgänger: Besuche einen Vergnügungspark
Der perfekte Ort zur Desensibilisierung, wenn man dazu neigt, bei plötzlich auftretenden äußeren Veränderungen (z.B. Lärm, schnelle Abfolge von verschiedenen Bildern, Menschenmengen, verschiedene Gerüchte etc.)
Wie wäre es mit einer Achterbahnfahrt? Es rappelt laut, die Menschen kreischen, rasend schnelle Geschwindigkeit, vielleicht sogar Loopings. Oder einer Fahrt in einer Geisterbahn?
Der Vergnügungspark ist der absolute Horror für jeden unter Agoraphobie Leidenden und auch Menschen, die an anderen Formen einer Angststörung leiden und ich muss zugeben, dass dies schon eher einer Schocktherapie gleicht, als einer Desensibilisierung. Wenn Du es Dir zutraust, kannst Du das gerne einmal ausprobieren.
Gehe äußeren Reizen nicht aus dem Weg
Der Vergnügungspark ist für die meisten von Euch sicherlich nicht das Richtige.
Und bei der Desensibilisierung sind eher kleinere Dosierungen gefragt. Setze Dich also gezielt bestimmten Reizen aus. Dafür muss man nicht viel mehr tun, als aktiv am Leben teilzunehmen, was für an einer Angststörung leidenden Menschen bereits eine enorme Herausforderung sein kann.
Je mehr Du Dich diesen äußeren Reizen entziehst, desto empfindlicher wirst Du. Dein Ziel sollte es sein, Dich nach und nach wieder an solche Situationen zu gewöhnen.
Vermeide also möglichst keine Situationen, die Dir Angst machen, auch wenn das mitunter sehr schwer fällt, wie ich aus eigener Erfahrung weiß. Wenn Du auf einer Party eingeladen bist, dann geh hin. Wenn ein Fest in Deiner Stadt ansteht, nimm teil. Verzichte nicht auf den Stadionbesuch, den Flug oder die Bahnfahrt.
Wenn das eine oder andere für Dich derzeit noch nicht möglich ist, dann starte mit Situationen, vor denen Du Dich zwar fürchtest, die Angst aber noch beherrschbar ist.
Wichtig ist, dass Du Dich wieder an die Turbulenzen des Lebens gewöhnst. Wie bei der Desensibilisierung bei einer Allergie.
Den Automatismus unterbrechen
Und wir haben gesehen, dass Du nicht allein deshalb Angst bekommst, weil Du äußere und körperliche Veränderungen schnell wahrnimmst, sondern diese zusätzlich als gefährlich deutest.
Das geschieht sehr schnell und automatisch. Veränderung (Reiz) -> „gefährlich“ – > Angst.
Menschen, die bezüglich körperlicher Veränderungen sehr sensibilisiert sind, nehmen jede Regung ihres Körpers sofort wahr. Jedes Blubbern, Zittern, Zucken, Stechen, Herzstolpern – alles, was irgendwie anders ist, wird wahrgenommen und als nicht normal interpretiert.
Gegen die Wahrnehmung des Ganzen kannst Du nicht viel tun. Du kannst Dir aber klarmachen, dass es normal ist, dass nicht immer alles in Deinem Körper statisch abläuft. Du bist schließlich ein Lebewesen und keine Maschine.
Auch wenn Du im ersten Moment noch erschrecken magst, so kann Du Dir anschließend sagen: „Alles ist gut. Das ist normal. Ich lebe“. Auf diese Weise kannst Du der aufkommenden Angst entgegensteuern und mit der Zeit diesen unbewussten, automatisierten Ablauf: Veränderung (Reiz) -> „gefährlich“ – >Angst unterbrechen.
Hochsensibilität ist keine Krankheit, die man behandeln muss. Der richtige Umgang mit Hypersensibilität ist entscheidend. Durch Desensibilisierung kannst Du Dich wieder an äußere Reize gewöhnen und indem Du Dir ins Bewusstsein rufst, dass die allermeisten (körperlichen) Veränderungen vollkommen harmlos – ja, normal! – sind, lernst Du mit der Zeit, diesen angstauslösenden Automatismus abzustellen.
Was meinst Du dazu? Bemerkst Du diese Hypersensibilität auch bei Dir? Kennst Du diese gesteigerte Wahrnehmung und Angst und Panik als Reaktion auf plötzlich auftretende Veränderungen?
Nutze die Kommentarfunktion, und lasse uns wissen, wie sich die Angststörung bei Dir bemerkbar macht.
Ich habe seit fast 30 Jahren eine Angsterkrankung und gelernt, damit ein für mich zufriedenes Leben zu leben. Durch Verhaltenstherapie, Klinik etc. habe ich im Laufe der Jahre viele hilfreiche Werkzeuge in die Hand bekommen. Ich kenne durch meine Geschichte auch viele andere langjährige Angsterkrankte. Was uns vereint, ist, dass die Angst immer ein Thema geblieben ist. Und dass wir gelernt haben (und noch lernen) sie zu akzeptieren, aber auch nicht mehr so wichtig zu nehmen. Die Neigung zur übertriebenen Angst gehört ein Stück weit zu mir. Vielleicht anders, wenn man sehr schnell in Therapie geht. Mein Hirn ist darin aber über die vielen Jahre einfach sehr geübt.
Ich bin noch dabei, einen Weg zu finden, mich nicht ständig mit starken Stresssituationen zu überfordern (muss mich doch konfrontieren, muss mich doch abhärten, muss doch wieder funktionieren wie die anderen-Ergebnis dieser Strenge war eine burnout-Erkrankung), aber auch nicht in andauernden Vermeidungsverhalten zu versinken (dann wird das Leben immer enger und freudloser). Was mir sehr geholfen hat: Progressive Muskelentspannung, Spaziergänge, Rad fahren, immer wieder kleinere Konfrontationen wie Geburtstagsfeiern, Stadtbummel, auch mal Feste und Konzerte. Dann aber auch Zeit für Ruhe und Erholung danach einplanen. Manches tue ich mir aber auch nicht mehr an, wenn es nicht sehr wichtig für mich ist. Auch eine eigene Spiritualität zu finden und mich mit dem Thema Tod auseinandersetzen, hat z.B. bei der Hypochondrie ein Stück weit geholfen. Wünsche allen einen guten Weg, ob mit oder ohne Angst.
Mit Verlaub, aber ich kann diese Konfrontationstipps langsam nicht mehr hören.
Fakt ist: Wenn man nicht schon im Vorfeld einer (dann tunlichst auch langsamen) Reizkonfrontation ausreichend stabilisiert wurde, führt die Konfrontation zu einer Reizüberlastung und damit unweigerlich zu einer Verstärkung der Problematik!
Insofern ist dein Tipp als geradezu gefährlich einzustufen.
Du solltest deshalb besser beschreiben, wie man sich ausreichend restabilisiert, damit man sich dann Schritt für Schritt wieder an starke Reize gewöhnen kann.
Fakt? Gefährlich? Dein Statement beruht auf welcher wissenschaftlich fundierten Quelle?
Genau der gleiche Mix wie bei dir: Panik, Hypochondrie und generalisierte Angststörung. Ich versuche, gerade was meinen Körper betrifft, immer mich zu beruhigen. Aber der Gedanke: "Und was, wenn es doch was schlimmes ist?!" lässt mich verzweifeln.
Ich würde so gern wieder ohne diese scheisse leben.
Eigentlich sollten Hochsensible einen Behindertenausweis erhalten, denn sie sind benachteiligt in vielen Lebensbereichen. Bahnhöfe, Busse, U-Bahnen, Flughäfen, Autobahnen, Schiffe sind ein Horror für sie. Kaufhäuser und Supermärkte eine Folter. Nur in der Ruhe eines Waldes geht's ihnen besser. Die Neurologen können ihnen auch nicht helfen, ihre Medikamente führen zu neuen Problemen. Es fehlt ein Nervenblocker. In dieser Welt muss man als Büffel geboren sein.
Hallo
Ich hab seit gut einem Jahr immer wieder mit Schwindel zu kämpfen.
Hab extreme Angst davor 7nd beobachte mich sehr obwohl ich es nicht will
Hi Christa,
aus der Selbstbeoachtung kommst du nicht durch willentliche Anstrengung heraus (das macht es nur schlimmer), sondern nur dadurch, dass du lernst, deine Angstgefühle zu "externalisieren". Zum Beispiel dadurch, dass du dir sofort, wenn du irgendeine Angst spürst, im Außen ein ein schwarz-weiß Selbstbild von dir vorstellst, dass dich mit deiner Angst zeigt. Und dann zusätzlich deine Aufmerksamkeit auf weitere neutrale Dinge im Außen richtest. Und das solange tust, sprich wiederholst, bis sich deine Angst von ganz allein beruhigt hat. Achte darauf, nicht vorher abzubrechen, weil du sonst keinen Erfolg hast.
Diese Technik wirkt übrigens dadurch, dass wir Menschen nur eine begrenzte Wahrnehmungskapazität haben. Wenn du nicht nur auf deine Angst im Innen, sondern auch noch auf ein verändertes Selbstbild und zusätzliche neutrale Reize im Außen achtest, verteilst du deine Aufmerksamkeit auf viele Dinge statt nur auf die Angst. Dadurch ist sie nicht mehr so stark in deinem Fokus und deshalb fühlst du sie mit ein wenig Übung auch immer weniger.
Liebe Grüße
Betty
Ja, das trifft auf mich zu. Bisher habe ich noch keine echte Lösung herausgefunden, aber ich arbeite daran und bin mir dessen (Angst und Hypersensibilität) zumindest schonmal bewusst, was der erste Schritt dazu ist.
Schmerzen spüre nicht Scherz.
Guten Abend.
Also, das mit dem äußeren habe ich nicht. Leide seid 5 Jahre an einer Angst und Panik Störung. Immer wenn ich ein Scherz spüre oder mal ein stich spüren ,Gerate ich in Panik. Oder Kreislauf, sofort Panik. War schon inne tagesklinik. Und versuche jemanden zu finden für eine Gesprächsthrapie . Aber leider noch kein Platz bekommen.
Bin alleinerziehend und würde gerne wieder mehr mit meinem Kind Unternehmen. Aber die Angst und Panik lässt mich nicht